Kann man Gesundheit versteigern?

(09.2007) Internetauktionen sind keine Sensation mehr. Alles Erdenkliche kommt unter den virtuellen Hammer. Auch vor Versteigerungen ärztlicher Behandlungen wird nicht mehr Halt gemacht. Verschiedene Internetplattformen nutzen die Situation des Gesundheitssystems und werben mit Möglichkeiten, ärztliche Behandlungen wesentlich kostengünstiger zu erhalten. Das galt bislang insbesondere für Zahnbehandlungen, ist aber nun auch z.B. für Schönheitsoperationen, Augenlasern oder sogar für künstliche Befruchtungen möglich.
Die Angebote klingen verlockend, jedoch handelt es sich bei diesen um unzulässiges Verhalten sowohl der beteiligten Ärzte als auch der Betreiber der Internetportale.

Der Ablauf der Auktion

Das Procedere ist auf allen Portalen gleich: Der heilbedürftige Patient meldet sich bei einem der Portale an, und gibt dort – anonym - sein Leistungsgesuch oder einen bereits eingeholten Heil- und Kostenplan an. Diese Angaben sind nun für die – ebenfalls anonym - teilnehmenden Ärzte sichtbar. Interessierte Ärzte können ihrerseits ein Angebot einstellen, das die bestehende Kostenschätzung unterschreitet. Nach Ablauf einer Auktionszeit von bis zu 14 Tagen werden dem Patienten die fünf günstigsten Vorschläge der Ärzte mitgeteilt. Der Patient kann sich näher über die Qualifikationen der Ärzte informieren und dann einen auswählen. Diese Auswahl bindet den Patienten nicht. Ein Behandlungsvertrag kommt zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustande. Es folgt ein persönliches Treffen mit einem Beratungsgespräch zwischen Arzt und Patient.

Ein neuer Kostenvoranschlag kann nicht ausgeschlossen werden, wenn es die individuellen Gegebenheiten des Patienten oder dessen Erwartungen an die Durchführung der Behandlung erfordern, bzw. wenn der Arzt persönlich nicht den Vorstellungen des Patienten entspricht. Der Abschluss eines Vertrages kann dann noch abgelehnt werden. Werden sich die Parteien einig, kommt es zu einem verbindlichen Vertragsschluss über die gewünschte ärztliche Behandlung. Die Abwicklung der Behandlung erfolgt wie üblich. Bis zu 20% des ärztlichen Honorars zahlt der Arzt pro Abschluss eines Behandlungsvertrages an den Betreiber der Internetplattform. Nach der Behandlung kann der Patient die Leistung des Arztes und Abweichungen von der Kostenschätzung in dem Auktionsportal bewerten und veröffentlichen, um die Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses für weitere Patienten zu ermöglichen.

Kosten sparen - grundsätzlich der richtige Ansatz...

Bei diesem Verfahren können bis zu 60 % der üblichen Behandlungskosten eingespart werden. Die Kostensenkung kommt den Patienten und auch den Krankenkassen gelegen. Die Kassen erstatten immer weniger ärztliche Leistungen oder bezuschussen diese nur noch in geringem Maße, statt dessen wird der Patient immer mehr zum Selbstzahler.
Ärzte ziehen ebenfalls ihren Nutzen aus der Sache, indem sie bei entsprechendem Angebot Behandlungsaufträge erhalten und möglicherweise Stammpatienten gewinnen, die das Einkommen künftig sichern.

... aber unzulässig!

Die Beteiligung der Ärzte an diesen Internetauktionen verstößt jedoch gegen das für sie gebotene Verhalten auf dem Markt der ärztlichen Behandlungen. Auch der Betreiber eines solchen Auktionsportals handelt in unzulässiger Weise, indem er die Auktionsmöglichkeit für Arzt und Patient zur Verfügung stellt. Er muss sich dem Vorwurf der Anstiftung zu Verstößen der Ärzte gegen das Berufsrecht und Wettbewerbsrecht stellen. Die Verhaltensregeln für Ärzte ergeben sich aus der Muster-Berufsordnungen für Ärzte und Zahnärzte, sowie aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), die zusammen das Marktverhalten der Ärzte regeln. Dabei kann ein Verstoß gegen eine Vorschrift der Berufsordnung gleichzeitig wettbewerbsrechtlich relevant sein und damit Ansprüche der Mitbewerber auf Unterlassen und/oder Schadensersatz auslösen. Ärzten ist es danach verboten, ihre Kollegen durch unlautere Handlungen aus ihrer Behandlungstätigkeit oder aus dem Wettbewerb um Behandlungsmöglichkeiten zu verdrängen. Sie dürfen keine vergleichende Werbung für sich selbst machen. Sie dürfen auch kein Entgelt versprechen oder gewähren, bzw. sich versprechen oder gewähren lassen, dafür, dass ihnen Patienten zugewiesen werden. Insbesondere ist es ihnen untersagt, die von der Gebührenordnung vorgeschriebenen Abrechnungssätze zu unterschreiten.

Berufsunwürdiges Verhalten

Die Beteiligung von Ärzten an der Versteigerung ärztlicher Behandlungen ist berufsunwürdig. Sie verdrängen in unlauterer Art und Weise ihre Kollegen aus ihrer Behandlungstätigkeit und aus dem Wettbewerb um eine berufliche Tätigkeit. Der Beweggrund des Arztes zur Teilnahme an dem Auktionsprogramm ist, den Behandlungsauftrag des suchenden Patienten zu erhalten, und sich in der Bewerbung um diese berufliche Tätigkeit gegen seine Mitbewerber durchsetzen. Zu diesem Zweck wird er die günstigste Kostenschätzung abgeben, die ihm irgend möglich ist und ihn unter die fünf billigsten Anbieter bringt. Nur dann besteht die Möglichkeit, dass der Patient ihm den Behandlungsauftrag erteilt. Wird der Auftrag dann tatsächlich erteilt, ist die Folge das Verdrängen des bisherigen zuständigen Arztes aus dessen Behandlungstätigkeit und das Verdrängen seiner Mitbewerber aus dem Wettkampf um diesen Patienten.

Das allein ist Teil des normalen Wettbewerbs unter Ärzten. Das Verdrängen erfolgt jedoch bei den hier beurteilten Internetauktionen in mehrfach unlauterer Art und Weise. Die Kostenschätzungen, die die möglichst günstigsten Vorschläge sind, können keine seriösen Angebote sein. Zum Einen hat der Arzt den Patienten mit seinen individuellen Gegebenheiten vor seiner Kostenschätzung nie persönlich in Augenschein nehmen können. Das erfolgt erst bei der nachträglichen Anamnese, bei der aufgrund der tatsächlichen erforderlichen Maßnahmen eine Kostenerhöhung nicht ausgeschlossen ist. Zwar wird in den Bedingungen der Internetportale betont, dass eine rechtliche Bindung der Ärzte an die Kostenvorschläge nicht mit dem Zuschlag des Patienten eintritt, sondern erst ein persönliches Treffen, mit dann bindender Kostenvereinbarung folgen muss. Die Bindung an den Vorschlag ist aber faktisch doch gegeben. Hält der Arzt sich nicht an die vorgeschlagene Kostenhöhe, so wird seine Bewertung des Patienten in dem jeweiligen Internetportal nach der Behandlung negativ ausfallen. Diese Kritik wird dann zur Ablehnung weiterer Behandlungsaufträge führen.

Zum Anderen kann diese Art des „Honorardumpings“ nur mit Qualitätseinbußen einhergehen. Die Honorare für ärztliche Leistungen können zwar grundsätzlich auch individuell mit dem Patienten vereinbart werden. Zum Schutz der Qualitätssicherung dürfen jedoch die in den amtlichen Gebührenordnungen vorgeschriebenen Gebührensätze nicht unterschritten werden: gerade einmal kostendeckende Honorare führen zu Behandlungen mit minimalstem Zeit- und Materialaufwand. Dabei erfolgen die Einsparungen nicht nur im Bereich der - nicht vom Arzt selbst durchgeführten - Laborleistungen, die sich nicht grenzenlos drücken lassen. Auch der Arzt selbst muss mit seiner Zeit und seiner Sorgfalt sparsam sein, um den vorgeschlagenen niedrigen Kostenplan einhalten zu können.

Berufswidrige Werbung

Die Teilnahme der Ärzte an den Internetauktionen beinhaltet auch automatisch Werbung für den Arzt selbst. Der Arzt gibt durch eine den konkreten Kostenvoranschlag eines Kollegen unterbietenden Kostenschätzung zu erkennen, dass er die gleiche Leistung zu besseren finanziellen Konditionen als sein Kollege erbringen kann. Dies stellt einen Fall der berufswidrigen vergleichenden Werbung dar. Ärzte dürfen nur begrenzt für ihre Leistungen werben. Ihnen ist ausschließlich gestattet, sachliche berufsbezogene Informationen abzugeben.

Unerlaubte Zuweisung von Patientinnen und Patienten gegen Entgelt

Ärzten ist es auch untersagt, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt zu versprechen oder zu gewähren, bzw. sich versprechen oder gewähren zu lassen. Die nach Abschluss eines Behandlungsvertrages fällige „Provision“ in Höhe von bis zu 20 % des ärztlichen Honorars an den Auktionsanbieter stellt jedoch ein solches Entgelt dar. Im Gegenzug erfolgt die Vermittlung des Patienten durch die jeweilige Internetplattform, d.h. durch das Anbieten des Systems mit den darin maßgeblichen Kriterien und den anschließenden Personalienaustausch. Die Gewährung eines Entgelts seitens der Ärzte ist ebenso gegeben, wie das Gewährenlassen seitens der Portalbetreiber.

Patientenschutz durch Verbote für Ärzte

Zweck der Verbotsvorschriften in den Berufsordnungen ist die Gewährleistung des Patientenschutzes. Der Patient hat das Recht auf freie Arztwahl, und der Wunsch nach einer zweiten ärztlichen Meinung ist ihm zu gewähren. Insbesondere muss der Eindruck einer dem Selbstverständnis des Arztes zuwiderlaufenden Kommerzialisierung des Arztberufs vermieden werden. Patienten sollen darauf vertrauen dürfen, dass ein Arzt für die Gemeinwohlbelange sorgt und sich dabei an der medizinischen Notwendigkeit seiner Tätigkeit und nicht an ökonomischen Erwägungen orientiert. Untereinander sind Ärzte zu kollegialem Handeln und Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeiten ohne Gewinnstreben berufen. Die Gewinnorientierung steht jedoch bei den ärztlichen Internetauktionen im Vordergrund.

Sicherlich sind die preiswerten Behandlungen dem bestehenden Gesundheitssystem dienlich. Zudem erlangt der Patient Schutz vor nachlässigen Behandlungen, indem er nach der Behandlung den Arzt öffentlich bewerten kann, und damit eine Art Druckmittel hat. Dieses Druckmittel veranlasst den Arzt jedoch nicht nur zu der Einhaltung der Kostenabsprache und zur Vorsicht vor Fehlbehandlungen, sondern es treibt auch zum Missbrauch der ärztlichen Pflichten an. Um schlechte Bewertungen zu vermeiden, wird der Arzt die Qualität der Behandlung soweit einschränken, dass er dem Kostenvorschlag gerade noch entsprechen kann. Ebenso zum Missbrauch verführt die Möglichkeit, durch gute Bewertungen noch mehr Behandlungsaufträge von Patienten zu erhalten, und das Honorar weiter in die Höhe zu treiben.

Fazit

Diese Beurteilung teilte auch das Landgericht München im November 2006. Dort klagten an den Auktionen nicht beteiligte Zahnärzte und behielten Recht: das Verhalten der teilnehmenden Ärzte und die Betreiber der Internetportale sei wettbewerbswidrig und widerspreche dem Standesrecht. Das Verfahren ist jedoch noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, nachdem der beklagte Auktionsbetreiber in die Berufung gegangen ist. Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird mit Spannung erwartet, denn bis dahin bestehen die Portale für die ärztlichen Internetauktionen weiter, und der Konflikt zwischen Kosteneinsparungen und Qualitätssicherung bleibt vorerst ungelöst.


Themenbezogene Links:
Bundesärztekammer
Bundeszahnärztekammer
Landgericht München

Die Autorin

Noëmi Löllgen ist Volljuristin mit dem Tätigkeitsschwerpunkt im Medizinrecht. Seit Februar 2009 ist Sie als Juristin im Bereich Market Access bei Abbott GmbH & Co. KG tätig. Frau Löllgen publiziert regelmäßig die Bearbeitung medizinrechtlicher Themen sowohl in Fachzeitschriften als auch auf dieser Homepage.
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