Urteil des Landessozialgerichts Hessen: Eröffnung einer zahnärztlichen Zweigpraxis zulässig

(01.2008) Ein Zahnarzt, mit Tätigkeitsschwerpunkt Kinderzahnheilkunde, legte gegen einen ablehnenden Bescheid der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung Widerspruch ein. Diese hatte den Antrag auf die Genehmigung einer zahnärztlichen Zweigpraxis abgelehnt. Die KV begründete Ihre Ablehnung damit, daß die zahnärztliche Versorgung am Ort der geplanten Zweigpraxis gewährleistet sei. Zudem sei durch die Abwesenheit des Zahnarztes die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten vor Ort der Erstpraxis beeinträchtigt.

Daraufhin stellte der Zahnarzt beim Sozialgericht Marburg einen Antrag auf vorläufige Genehmigung der Zweigpraxis. Der Antrag wurde jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Das SG Marburg sah es ebenfalls als erwiesen an, daß eine bessere Versorgung der Versicherten am zweiten Standort nicht gegeben sei: Kinderzahnheilkunde wäre ein allgemeiner Bestandteil der Ausbildung aller Zahnärzte.

LSG Hessen: Besondere Qualifikation des Zahnarztes

Das Landessozialgericht Hessen gab dem Antrag des Zahnarztes statt, nachdem dieser Beschwerde beim LSG Hessen eingelegt hatte. Das Gericht sah den Tätigkeitsschwerpunkt Kinderzahnheilkunde als eine besondere Qualifikation an. Da ein Zahnarzt, der diesen Tätigkeitsschwerpunkt führe, Nachweise über praktische Erfahrungen und besondere Fertigkeiten erbringen müsse, würde dies über eine Ausbildung von allgemeinen Zahnärzten hinausgehen und somit den Zahnarzt speziell in diesem Bereich als qualifiziert herausstellen. Dies führe ohne weiteres zu einer Verbesserung der Versorgung von Versicherten am Ort der Zweigpraxis.

Abwesenheitszeit an der Erstpraxis noch im grünen Bereich

Auch in Bezug auf die Abwesenheitszeit am Ort der Erstpraxis sah das LSG Hessen im Gegensatz zum SG Marburg keine Beeinträchtigung der Versorgung an. Nach einer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dürfe ein Zahnarzt nicht mehr als ein Drittel der tatsächlichen Tätigkeitszeit am Ort der Erstpraxis abwesend sein. Da dies auch beim Kläger nicht der Fall sei, verpflichtete das LSG Hessen die Kassenzahnärztliche Vereinigung, dem Zahnarzt vorläufig die Tätigkeit in einer Zweigpraxis zu gestatten.

Die Autorin

Anke Harney hat Rechtswissenschaften an der Universität Münster und der Universität Trier studiert. Ihre Laufbahn als Anwältin begann sie in einer renommierten Kanzlei in Münster, die sich auf Medizinrecht spezialisiert hatte, und war dort von 2005 bis 2017 tätig. Seit 2009 ist sie als Fachanwältin im Bereich Medizinrecht aktiv. Ein weiterer wichtiger Meilenstein in ihrem beruflichen Werdegang umfasst ihre Mitarbeit in der Forschung am Institut für Sozial- und Gesundheitsrecht an der Ruhr-Universität Bochum von 2012 bis 2022. Seit 2022 ist Anke Harney als Rechtsanwältin bei Solidaris in Münster tätig.

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