Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers und seines Gesellschafters

(07.2009) Durch die Rechtsprechungsentwicklung und die GmbH-Reform 2008 (MoMiG) hat sich die Frage einer Inanspruchnahme eines Vertretungsorgans einer Kapitalgesellschaft (insb. GmbH, AG, KGaA) durchaus zunehmend verschärft. Dies ist für die Geschäftsführer einer GmbH umso dramatischer als – anders als im Aktiengesetz – das GmbH-Gesetz (GmbHG) lediglich rudimentäre Grundsätze für seine Inanspruchnahme enthält. Da wirkt es geradezu lakonisch, wenn Insolvenzverwalter Geschäftsführern vorhalten, dass man doch wissen müsse, wie das Parkett des Kapitalgesellschaftsrechts beschaffen sei.

Risiko wegen mangelnder Aufklärung und exotischer Gestaltungen

Die Praxis sieht dagegen anders aus. Vielfach wird die Rechtsform der GmbH durch den Steuerberater dem Inhaber eines Unternehmens als Steuersparmodell oder schlicht zwecks Haftungsbegrenzung „verkauft“. Auch die Notare belehren in aller Regel weder Gesellschafter noch Geschäftsführer in der notwendigen Tiefe über die jeweiligen Risiken. Hinzu tritt ein (un-)gesundendes Halbwissen des Inhabers. Gänzliche Verwirrung kommt meist dann auf, wenn dem Inhaber die Rechtsform einer sog. GmbH & Co. KG oder einer ausländischen Rechtsform (Ltd., S.á r.l. etc.) oder gar einer Zwitter-Rechtsform (bspw. Ltd. & Co. KG) oder einer Einheitsgesellschaft (Kommanditgesellschaft, in die die Geschäftsanteile ihrer eigenen Komplementärin hält) verkauft worden ist.

Geschäftsführer und Gesellschafter werden sich bei Wahl einer Auslandsrechtsform zügig erster Probleme bewusst, wenn das deutsche Handelsregister bspw. beglaubigte Übersetzungen aller ausländischen Gründungsdokumente anfordert. Geradezu katastrophal wird es jedoch in der Krisensituation der Gesellschaft, wenn sich die Frage nach dem Bestehen oder Aufleben einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers bzw. Gesellschafters aufdrängt. Denn sucht er in dieser Situation beim jeweiligen Anbieter (bspw. GoAhead!) um Rechtsrat nach, muss ihn dieser mangels eigener Rechtskunde an einen Anwalt verweisen. Sucht er dann einen inländischen Anwalt auf, so wird ein seriöser Vertreter dieser Zunft ihm schlichtweg keine Auskunft erteilen können, da es um die Auslegung und Anwendung ausländischen Rechts geht (BGH II ZR 5/03), für dessen Beratung der inländische Rechtsanwalt nicht zugelassen ist.

Aber auch bei rein deutschen Rechtsformen (bspw. GmbH oder GmbH & Co. KG) wundert sich der Berater allenthalben, dass die rechtliche Konsequenz der Gründung einer solchen Gesellschaft weder von Gesellschaftern noch von Geschäftsführern durchschaut worden ist.

Bereitstellen eines Haftungsstocks

Klar muss sein, dass GmbH oder GmbH & Co. KG gesonderte Rechtssubjekte sind (bei GmbH & Co. KG sogar zwei Rechtssubjekte: GmbH und KG!), die mit eigenen Interessen und einer eigenen Vermögenssphäre ausgestattet sind (so ausdrücklich § 13 Abs. 1 GmbHG für die GmbH). Wird die Tatsache eigener Interessen und eigenen Vermögens übersehen – wie dies insbesondere im kleineren Mittelstand durchaus häufig zu beobachten ist („meine Gesellschaft, mein Vermögen“) – kann dies katastrophale Folgen haben. Denn entnimmt der Gesellschafter Gesellschaftsvermögen, kann dies nicht nur strafrechtliche Vorwürfe implizieren (Untreue zu Lasten der Gesellschaft), sondern die Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen gefährden, so dass im Ergebnis im Insolvenzfall doch noch eine Haftung des Gesellschafters auflebt. Verkürzt gesagt, ist das Gesellschaftsvermögen streng von dem Privatvermögen der Gesellschafter oder dem Vermögen anderer Gesellschaften der Gesellschafter zu trennen. Denn die Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen „erkauft“ sich der Gesellschafter durch das Bereitstellen eines Haftungsstocks (das sog. Stammkapital der Gesellschaft). Im Umkehrschluss dazu lebt die Haftung des Gesellschafters wieder auf, wenn dieser Haftungsstock durch Auszahlungen von Barvermögen oder Entnahme von Sachgütern zugunsten oder im Interesse des Gesellschafters (bspw. Leistung an nahestehende Personen) geschmälert wird. Das Risiko für den Gesellschafter ist jedoch vergleichsweise überschaubar: Sofern bei Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister die jeweilige Stammkapitalziffer vollständig aufgebracht und vorhanden ist und der Gesellschafter sich danach auf die Vereinnahmung von Gewinnausschüttungen beschränkt, ist der Gesellschafter kaum angreifbar. Probleme ergeben sich in diesem Fall wegen der Finanzierungsveranwortung des Gesellschafters nur dann, wenn dieser Darlehen von der Gesellschaft erhält oder Darlehen an diese gewährt oder in der Krisensituation Vermögensbestandteile der Gesellschaft beiseite geschafft werden (sog. existenzvernichtende Eingriffe, BGH II ZR 3/04).

Kritisch für den Geschäftsführer

Kritischer ist die Situation dagegen – nicht zuletzt durch die GmbH-Reform 2008 (MoMiG) – für den Geschäftsführer. Dieser sieht sich als Vermögensbetreuer der Gesellschaft und Gesamtverantwortlicher für das Geschäft und das Marktverhalten der Gesellschaft nicht nur in einem dauerhaften Spannungsverhältnis verschiedener Interessen (Gesellschafter, Gesellschaft, Gläubiger) und Rechtsordnungen (Gesellschaftsvertrag, Gesetz, schuldrechtliche Vereinbarungen (bspw. Anstellungsvertrag). Vielmehr gilt es für ihn auch sämtliche Berührungspunkte der Gesellschaft mit Dritten im Auge zu behalten. Könnten bspw. durch Produkte der Gesellschaft Personen zu schaden kommen, ist der Geschäftsführer gut beraten, antizipiert Maßnahmen zu ergreifen, um tatsächliche Schäden auszuschließen. Die Haftungslage wird dadurch für ihn geradezu unübersichtlich.

Handlungsanleitung zum Download

Die Haftungslage für Geschäftsführer und Gesellschafter umfassend in einem Beitrag wie diesem darzustellen, sprengt den Rahmen des Möglichen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns entschlossen, Unterlagen eines Vortrags hier als erste Handlungsanleitung bereitstellen.

Diese Unterlage unterteilt sich wie folgt:

1. Darstellung der Bedeutung der sog. Compliance

2. Darstellung der Rechtsposition des Geschäftsführers (inkl. Darstellung der Differenzierung zwischen Amt und Anstellungsvertrag sowie der typischen Kompetenzverteilung zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung innerhalb einer GmbH)

3. Darstellung der fünf Prinzipalpflichten des Geschäftsführers (Organisierung, Gehilfenüberwachung, Informierung, Verkehrssicherung, Beaufsichtigung)

4. Einzelheiten zur Insolvenzantragspflicht von Gesellschafter und Geschäftsführer

5. Darstellung der Unterschiede zwischen Entlastung und sog. Generalbereinigung

6. Darstellung typischer Haftungsfallen für Geschäftsführer und Gesellschafter

Download der Handlungsanleitung (PDF, 1,3 MB)

Insgesamt sollten sich Geschäftsführer und Gesellschafter von Kapitalgesellschaften und von Personengesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als Gesellschafter hat, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, der in den Vortragsunterlagen genannten Risiken bewusst sein. Denn das Kennen der Risiken ist Grundvoraussetzung der Entwicklung erfolgreicher Vermeidungsstrategien. Das Kennen der Risiken, das Organisieren von Vermeidungslösungen und deren Umsetzung sowie das Dokumentieren der entsprechend ergriffenen Maßnahmen ist heute Teil ordnungsgemäßer Unternehmensführung (sog. Compliance).

Themenbezogene Links
Das MoMiG in aller Kürze
Infos zur Rechtsform Limited
Pressemitteilung des BGH

Der Autor

Stephan WuebbelsmannDr. Stephan Wübbelsmann ist u.a. Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er leitet seit April 2014 den Standort Fulda der Kanzlei Cornea Franz Rechtsanwälte Partnerschaft mbB.

Kontaktdaten von Dr. Stephan Wübbelsmann