“Es werden dem Arzt und Zahnarzt immer mehr Handlungsspielräume eröffnet.”
(02.2008) Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht Anke Harney im Interview zu den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Praxishomepage, zur namentlichen Nennung von Medizinprodukten und unsachlicher Beeinflussung von Medizinlaien.
akademiker-im-www: Frau Harney, in unserem Vorgespräch erwähnten Sie anfangs die Problematik einer rechtlich abgesicherten Praxishompage. Warum kann der Arzt oder Zahnarzt Probleme bei der Umsetzung bekommen?
RAin Harney: Die Internetdarstellung von Ärzten und Zahnärzten unterliegt deutlich strengeren rechtlichen Vorgaben als z.B. diejenige von Gewerbetreibenden. Denn neben den wettbewerbsrechtlichen Vorgaben nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), müssen Ärzte und Zahnärzte darüber hinaus die rechtlichen Rahmenbedingungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) sowie die berufsrechtlichen Vorgaben ihrer Landesärztekammer bzw. ihrer Landeszahnärztekammer (geregelt in der jeweiligen Berufsordnung) beachten. Dabei ist zu bedenken, dass jede Landesärztekammer und jede Landeszahnärztekammer ihre eigene Berufsordnung hat und daher die berufsrechtlichen Vorgaben und ihre Auslegung in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedlich sein kann.
akademiker-im-www: Also Webdesign nach strikten Gesetzesvorgaben?
RAin Harney: Richtig, diese Regelungen gilt es zu beachten, was nicht immer leicht fällt, da sich der einzelne Arzt / Zahnarzt in ständigem Wettbewerb zu Kollegen befindet und sich gerne über eine besonders “innovative Internetdarstellung” abheben möchte. Allerdings muss man sagen, dass die Rechtsprechung zunehmend Restriktionen im ärztlichen und zahnärztlichen Werberecht herausnimmt und liberaler wird. Es werden daher dem Arzt / Zahnarzt immer mehr Handlungsspielräume eröffnet.
akademiker-im-www: Mit welchen juristischen Konsequenzen muss der Arzt / Zahnarzt rechnen, wenn er die rechtlichen Vorgaben nicht einhält?
RAin Harney: Das kommt auch immer sehr auf die Art des Verstoßes an. Wenn das Verhalten des Arztes / Zahnarztes wettbewerbswidrig ist, dann bestehen Unterlassungsansprüche gegen den Arzt / Zahnarzt und bei fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhalten auch Schadenersatzansprüche. Ferner kann die Werbung bei vorsätzlicher irreführender Werbung auch nach dem UWG strafbar sein. Die Strafbarkeit nach dem UWG hat jedoch eher geringe Bedeutung. Verstöße gegen das HWG können rein ordnungsrechtlich, aber auch strafrechtlich relevant sein. Ordnungsrechtliche Verstöße werden mit Geldbußen geahndet (je nach der Art des Verstoßes bis 20.000 € bzw. bis 50.000 €) und strafrechtliche Verstöße mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, wobei dies schwerwiegendere Fälle sein müssen. Die Landesärztekammer bzw. Landeszahnärztekammer hat bei berufsrechtswidrigem Verhalten ihrer Kammerangehörigen eigene Maßnahmekataloge, die je nach Bundesland unterschiedlich sind (z.B. Verwarnung, Verweis).
akademiker-im-www: Wer macht diese Ansprüche geltend?
RAin Harney: Meistens werden die Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern oder von Wettbewerbsvereinen geltend gemacht. Bevor Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden können, müssen die Anspruchssteller – also in der Regel der Mitbewerber oder der Wettbewerbsverein – den Arzt / Zahnarzt abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Bei berechtigter Abmahnung muss der Arzt / Zahnarzt die Kosten für das Abmahnverfahren tragen. Schadenersatzansprüche können nur Mitbewerber geltend machen. Berufsrechtsverstöße verfolgt die zuständige Landesärztekammer bzw. Landeszahnärztekammer.
akademiker-im-www: Gibt es rechtliche Vorgaben gegen die besonders häufig verstoßen wird?
RAin Harney: Dem Arzt / Zahnarzt sind bestimmte Formen der Werbung gegenüber dem Laien verboten. Gegen diese Verbote wird häufiger verstoßen. So ist es nicht erlaubt, mit Verfahren/Behandlungen (z.B. Durchführung von prophylaktischen, diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen) oder Gegenständen (z.B. ärztliche oder zahnärztliche Instrumente) mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen oder mit Hinweisen hierauf zu werben. Bereits die Angabe, dass bestimmte Verfahren/Behandlungen oder Gegenstände ärztlich, zahnärztlich oder anderweitig fachlich geprüft oder empfohlen sind oder angewendet werden, ist nicht möglich. Auch ist die Aufnahme eines Gästebuchs tabu, da sich dort Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben von Patienten wiederfinden können, die jedoch nicht erlaubt sind. Im übrigen ist es verboten, mit der Wiedergabe von Krankengeschichten oder mit Hinweisen darauf zu werben.
akademiker-im-www: Wie sehen Sie die namentliche Nennung von medizinischen Produkten auf Praxishomepages?
RAin Harney: Viele Praxisinhaber sind der Meinung, daß die Nennung von bestimmten Produkten, die sich als besonders innovativ erweisen, die Qualität einer Praxis steigert und somit gegenüber dem Kunden eine Art „Qualitätssicherung“ suggeriert. Häufig wird der Patient jedoch trotz seiner sicherlich zunehmenden Emanzipation mit Namen von speziellen medizinischen Produkten nichts anfangen können, so dass der Werbeeffekt vermutlich eher gering ist.
akademiker-im-www: Also eine "Werbekampagne", die mehr schadet ...
RAin Harney: Der Praxisinhaber verhält sich rechtswidrig, weil ihm die Bewerbung von medizinischen Produkten, Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und ähnlichen Waren verboten ist. Auf die Aufnahme solcher Produkte unter Nennung der Hersteller sollte unbedingt verzichtet werden, ebenso auf die Verlinkung zu Herstellern. Auch die produktbezogene Werbung für Dritte durch Auslegung von z.B. Flyern im Wartezimmer sollte unterbleiben.
akademiker-im-www: Wäre dem Praxisinhaber eine Abmahnung sicher, wenn lediglich die praktizierten Behandlungsmethoden auf der Webseite aufgezählt und beschrieben werden?
RAin Harney: Nein, denn es ist rechtlich unproblematisch den Besuchern der Homepage medizinische Informationen zur Verfügung zu stellen. Dies ist vielmehr gewollt und wird vom Patienten auch zunehmend zu Recht eingefordert. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von dem Recht des Patienten auf Information. Das bedeutet, dass (sachbezogene) Informationen über Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen im Rahmen des eigenen Fachgebietes auf die Homepage gestellt werden können. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die eigene Leistung des Arztes / Zahnarztes nicht anpreisend oder unsachlich herausgestellt wird. Die sachbezogene Information über die eigenen Qualifikationen und das Leistungsspektrum sind natürlich möglich – in welchem Umfang genau hängt immer von der jeweiligen Berufsordnung ab. Zur Sicherheit sollte der Arzt / Zahnarzt hier kurz bei seiner Kammer nachfragen, was ihm erlaubt ist.
akademiker-im-www: Welche Angaben können noch auf die Praxishomepage gestellt werden?
RAin Harney: Rein praxisorganisatorische Informationen wie Sprechstundenzeiten, Urlaubszeiten und Vertretung, Bilder des Praxisteams und der Praxisräume, die Erreichbarkeit außerhalb der Sprechstunde sowie die Lage der Praxis (öffentliche Verkehrsmittel, Parkplätze, Stadtplan usw.) können auf der Homepage erfolgen. Auch der Lebenslauf / berufliche Werdegang des Arztes / Zahnarztes kann dargestellt werden.
akademiker-im-www: Kommen wir kurz auf den optischen Teil einer Praxishomepage zu sprechen. Fotos sind gerade auf einer Webseite ein wichtiges Mittel, um dem Besucher die Praxis und die in der Praxis tätigen Personen näher zu bringen. Was sollte gerade in Bezug auf Fotos vermieden werden?
RAin Harney: Die bildliche Darstellung von Ärzten / Zahnärzten in Berufskleidung oder bei der Ausübung ihres Berufes ist nicht per se verboten. Das Heilmittelwerbegesetz verbietet eine Werbung mit der bildlichen Darstellung von Ärzten / Zahnärzten in Berufskleidung oder bei der Berufsausübung dann, wenn sich die Werbeäußerung auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten bezieht. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Grundsatzentscheidung (Urteil vom 01.03.2007, Az.: I ZR 51/04) klargestellt, dass aufgrund der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit diese Werbung nur dann verboten ist, wenn darüber hinaus der Laie durch sie unsachlich beeinflusst wird und dadurch eine zumindest mittelbare Gesundheitsgefährdung bewirkt wird. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist übrigens ein Beispiel für die bereits angesprochene zunehmende Liberalisierung des ärztlichen und zahnärztlichen Werberechts.
akademiker-im-www: Wie “Patientenfreundlich” müssen die Inhalte der Homepage aufbereitet werden?
RAin Harney: Bei der Verwendung von fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen ist Vorsicht geboten, sofern diese noch nicht in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. Die Sprache sollte also so einfach wie möglich gehalten werden. So sind beispielsweise Begriffe wie Allergie, Cellulitis, Diabetes und Thrombose als Begriffe zu sehen, die Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden haben und daher benutzt werden können. Andere Begriffe wie z.B. Cholin, Tachykardie, Neuralgien oder Pektine sind hingegen als unzulässig eingestuft worden.
akademiker-im-www: Betreiber von Webseiten gehen zunehmend dazu über, ihren Benutzern neben dem reinen zur Verfügung stellen von Texten auch Filme zu präsentieren? Wäre so etwas auch für Ärzte / Zahnärzte denkbar?
RAin Harney: Die Art des benutzten Mediums ändert nichts an den rechtlichen Vorgaben. Das heißt, die bereits angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkte wie Sachlichkeit und fehlende Anpreisung müssen insbesondere beachtet werden. Keinesfalls darf mit dem Film für bestimmte Verfahren/Behandlungen oder Gegenstände mit der Wiedergabe von Krankengeschichten oder mit Hinweisen darauf geworben werden. Auch ist es nicht möglich, mit der bildlichen Darstellung von Veränderungen des menschlichen Körpers durch bestimmte Krankheiten zu werben oder den Wirkungsvorgang eines Verfahrens/einer Behandlung bildlich darzustellen und so hierfür zu werben. Es darf für das Verfahren/die Behandlung auch nicht mit Äußerungen Dritter (z.B. Danksagungen) geworben werden. Möglich sind Filme, die reine Sachinformationen über bestimmte Krankheiten beinhalten. Dabei können Informationen über Ursachen, Erkennung (Diagnostik) und Behandlung (Therapie) aufgenommen werden. Allerdings dürfen nicht konkrete Medikamente oder Behandlungsformen beworben werden.
akademiker-im-www: Nun hat die Zahl der Abmahnungen gegen Homepagebetreiber in den letzten Jahren stark zugenommen. Wie sollte ich mich als Webseitenbetreiber verhalten, wenn solch eine Abmahnung bzw. eine Unterlassungerklärung ins Haus flattert?
RAin Harney: Der betroffene Arzt / Zahnarzt sollte sich juristisch beraten lassen, weil zu prüfen ist, ob die Abmahnung bzw. Unterlassungserklärung zu Recht erfolgt.
akademiker-im-www: Zum Abschluß noch eine kurze Frage: was empfehlen Sie jedem zukünftigen Praxishomepagebetreiber?
RAin Harney: Darauf zu achten, dass nur sachbezogene Informationen auf die Homepage genommen werden. Die Angaben dürfen nicht unwahr, anpreisend, zur Täuschung geeignet oder unseriös sein. Auch das Erscheinungsbild der Homepage sollte diesen Anforderungen genügen, z.B. sollte auf Effekte wie Pop-up Fenster oder Banner verzichtet werden. In Zweifelsfällen bietet es sich an, seine Ärzte- bzw. Zahnärztekammer um Rat zu bitten, ob berufsrechtliche Einwendungen bestehen. Am Besten, der Arzt / Zahnarzt läßt sich die Auskunft schriftlich geben.
Themenbezogene Links
Grundsatzentscheidung des BGH (PDF Datei)
Heilmittelwerbegesetz (HWG)
Anke Harney
Anke Harney hat Rechtswissenschaften an der Universität Münster und der Universität Trier studiert. Ihre Laufbahn als Anwältin begann sie in einer renommierten Kanzlei in Münster, die sich auf Medizinrecht spezialisiert hatte, und war dort von 2005 bis 2017 tätig. Seit 2009 ist sie als Fachanwältin im Bereich Medizinrecht aktiv. Ein weiterer wichtiger Meilenstein in ihrem beruflichen Werdegang umfasst ihre Mitarbeit in der Forschung am Institut für Sozial- und Gesundheitsrecht an der Ruhr-Universität Bochum von 2012 bis 2022. Seit 2022 ist Anke Harney als Rechtsanwältin bei Solidaris in Münster tätig.