Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts

(02.2008) Das Bundeskabinett hat mit Beschluss vom 11.12.2007 den Regierungsentwurf des o.g. Gesetzes verabschiedet. Das neue Erbschaftsteuerrecht soll bereits im Frühjahr 2008 in Kraft treten; dies erscheint vor dem Hintergrund der kritischen Verlautbarungen verschiedener Parteigremien ambitioniert. Während die CDU/CSU-Fraktion offensichtlich den Entwurf insgesamt oder zumindest im Hinblick auf die Regelungen betreffend die Unternehmensnachfolge überwiegend ablehnt, sind die Sozialdemokraten offensichtlich lediglich zu „technischen“ Nachbesserungen bereit.

I. Hintergrund der Reform

Das BVerfG hatte mit Urteil vom 07.11.2006 entschieden, dass das derzeitige ErbStG verfassungswidrig sei, da das Gesetz ohne Rechtfertigung verschiedene Bewertungsansätze bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Anwendung bringe. Nach Auffassung des BVerfG dürfe sich die Besteuerung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bereicherung nur einheitlich nach den tatsächlichen Werten des übertragenen Vermögens bestimmen. Erst auf einer zweiten Ebene könne der Gesetzgeber entscheiden, ob er die (somit für alle Fälle einheitlich ermittelte) Belastung auf Grund bestimmter Lenkungsziele durch unterschiedliche Steuersätze oder Freibetragsregelungen reduziere (sog. Verschonungsregeln). Der Gesetzgeber ist auf Grund dieses Urteils verpflichtet, spätestens bis zum 31.12.2008 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin ist das bisherige Recht weiter anwendbar.

II. Aussichten der Reform

Ob und wann der vorliegende Regierungsentwurf tatsächlich als Gesetz verabschiedet wird, lässt sich daher derzeit nicht abzuschätzen. Offensichtlich gibt es insbesondere auf Seiten der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion Bestrebungen, das Gesetzgebungsverfahren über den 31.12.2008 hinaus zu verzögern. Sollte dies gelingen, wäre das bislang (noch) gültige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) auf Grund der in 2006 vom BVerfG festgestellten Verfassungswidrigkeit nicht länger anwendbar, was im Ergebnis die faktische Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer bedeuten würde. Sie erinnern sich vielleicht, dass es einen gleich gelagerten Fall bereits bei der vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten Vermögensteuer gab; seit 1997 ist danach das VStG unanwendbar.

III. Kerninhalte des Regierungsentwurfs

Im Folgenden werden die wesentlichen Kernpunkte des Regierungsentwurfs dargestellt. Die in den Aufstellungen angegebenen Werte in Klammern geben zum Vergleich die nach bisherigem Recht gültigen Werte wider:
Freibeträge/Steuersätze

Es sind folgende Steuertarife (§ 19 ErbStG-E) vorgesehen, wobei anzumerken ist, dass die Prozentsätze in der Steuerklasse I unverändert bleiben und die Prozentsätze in den Steuerklassen II und III vereinheitlicht werden sollen:
Steuertarife/Steuerklassen

Den Vorgaben des BVerfG folgend, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass zu übertragendes Vermögen im Rahmen der Besteuerung grundsätzlich mit seinem tatsächlichen Wert anzusetzen ist. Zur Erleichterung der Ermittlung des jeweils maßgeblichen Werts sieht das Gesetz gewisse Typisierungen vor, die teilweise noch Rechtsverordnungen und Verwaltungsanweisungen vorbehalten bleiben sollen, die derzeit noch nicht bekannt sind. Nachstehend stellen wir Ihnen kurz die Grundzüge der vorgesehenen Bewertungsmuster für die unterschiedlichen Arten des zu bewertenden Vermögens dar.
Bewertungsregelungen

Die Gesetzesreform sieht eine völlige Neugestaltung der Verschonungs- und Freistellungsregelungen vor. Dem Grunde nach ist von Bedeutung, dass nachstehende Techniken nur insoweit anwendbar sein sollen, als der Empfänger nicht aufgrund letztwilliger oder rechtsgeschäftlicher Verfügung des Zuwendenden verpflichtet ist, das jeweilige Vermögen an einen Dritten weiterzugeben.
Verschonungs-/Freistellungsregelungen

Sonstiges
Partner einer (gleichgeschlechtlichen) eingetragenen Lebenspartnerschaft sollen nach dem ErbStG-E den Eheleuten teilweise gleichgestellt werden, so dass bestimmte Freibeträge (bspw. Versorgungsfreibetrag) für diese ebenfalls zur Anwendung kommen, die bislang nur Eheleuten vorbehalten waren. Allerdings findet auf solche Partner weiterhin der (hohe) Steuertarif der Klasse III Anwendung. Nicht begünstigt werden dagegen die nichtehelichen Lebensgemeinschaften, die andererseits auf Grund der Erhöhung der Steuersätze massiv benachteiligt werden. Beim Erwerb von inländischem land-/forstwirtschaftlichen Vermögen, Betriebsvermögen oder Kapitalgesellschaftsanteilen durch Steuerpflichtige in der Steuerklasse II und III soll für das nicht freigestellte Vermögen (15 %) eine Tarifbegrenzung dahingehend Anwendung finden, dass der Steuerpflichtige insoweit als der Steuerklasse I zugehörig behandelt wird. Die Behandlung wird durch eine typisierende Verhältnisrechnung erstrebt. Unklar ist, ob diese Tarifbegrenzung auch dann Anwendung findet, wenn (im Nachhinein) die Freistellung für das Vermögen (85 %) entfällt.

Anwendung des neuen Rechts
Das neue Recht soll mit der Gesetzesverkündung in Kraft treten (avisiert: 01.04.2008). Das geltende Recht ist bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts weiterhin anzuwenden. Klar ist, dass das geltende Recht wegen seiner Verfassungswidrigkeit gemäß der Vorgaben des BVerfG ab dem 1.1.2009 nicht mehr angewendet werden darf; ist bis dahin das neue Recht nicht verkündet worden, käme es (bis zur Verkündung des neuen Rechts) zu einer faktischen Steuerfreiheit der zukünftigen Erb- und Schenkungsfälle. Letzteres ist aber wohl nicht zu erwarten. Das neue Recht sieht vor, dass in Erbfällen nach dem 01.01.2007 die Steuerpflichtigen bis zum 01.01.2009 beantragen dürfen, dass das neue Recht zur Anwendung kommen kann; allerdings erfolgt die Besteuerung unter Zugrundelegung der Freibeträge nach geltendem (bisherigem) Recht.

Ferner sieht das Gesetz die Anwendbarkeit des alten Rechts für Erbfälle oder Schenkungen bis zum 31.12.2010 vor, soweit es um Vermögen geht, dass bereits vor dem 1.1.2007 Gegenstand einer Schenkung war, jedoch nach dem 11.11.2005 aufgrund eines vertraglichen Rückforderungsrechts an den Schenker zurückgegeben werden musste. Diese Gesetzesformulierung erscheint schon deshalb fraglich, weil das Datum des 11.11.2005 nicht überzeugt (Datum der Regierungserklärung, wonach eine Begünstigung der Unternehmensnachfolge erfolgen solle) und das BVerfG ausdrücklich die Anwendung des geltenden Rechts über den 31.12.2008 hinaus für verfassungswidrig erklärt hat.

siehe auch: Download der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf.


Themenbezogene Links:
Entscheidung Bundesverfassungsgericht
Gesetzentwurf der Bundesregierung (PDF)
Adoption statt Erbschaftsteuer (FAZ)

Der Autor

Stephan WuebbelsmannDr. Stephan Wübbelsmann ist u.a. Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er leitet seit April 2014 den Standort Fulda der Kanzlei Cornea Franz Rechtsanwälte Partnerschaft mbB.

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