Das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung - Willkommen in Absurdistan!

(09.2009) Am 01.08.2009 ist das Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz, BGBl I 2009, 2302) und am 02.08.2009 die darauf aufbauende Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV) in Kraft getreten.

Bereits die Initiierung des Gesetzgebungsverfahrens hatte geradezu komische Züge angenommen. So baten die Fraktionen CDU/CSU und SPD in einer Art parlamentarischem Selbstgespräch den von ihnen beherrschten Bundestag, die von ihnen gestellte Bundesregierung aufzufordern, die Steuerhinterziehung energischer zu bekämpfen (Antrag v. 17.12.2008, BT-Drs. 16/11389). Dies zum Anlass nehmend, wurde bereits am 13.01.2009 der sog. Referentenentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und der Steuerhinterziehung veröffentlich, der selbst innerhalb der Bundesregierung jedoch massivsten verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete. In Ansehung dieser Bedenken wurde der Entwurf überarbeitet und als Regierungsentwurf des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung am 3. 7. 2009 in dritter Lesung vom Bundestag und am 10. 7. 2009 vom Bundesrat angenommen. Zur Konkretisierung dieses Gesetzes (sic!) wurde zugleich die Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung erlassen. Wie auch immer – der Steuerpflichtige muss sich nun mit diesem Gesetz arrangieren. Deshalb soll das Gesetz in der gebotenen Kürze dargestellt und die wesentlichen Fußangeln aufgezeigt werden.

1. Einkommensteuer

Das Gesetz ergänzt § 51 Abs. 1 Nr. 1 EStG und fügt diesem einen neuen Buchstaben f) an, wonach der Gesetzgeber die Bundesregierung ermächtigt, in Fällen, in denen ein Auslandssachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen ist, zu bestimmen (hier geschehen durch die SteuerHBekV), in welchem Umfang (gemäß SteuerHBekV: entweder voll oder gar nicht) Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur durch Erfüllung besonderer Mitwirkungs- und Nachweispflichten als einkommensmindernd anerkannt werden. Die besonderen Mitwirkungs- und Nachweispflichten gelten ausnahmsweise dann nicht, wenn die bezüglich des jeweiligen Auslandssachverhalt im Ausland ansässigen Beteiligten in einem Staat oder Gebiet ansässig sind, mit dem ein Abkommen besteht, das die Erteilung von Auskünften entsprechend Artikel 26 des Musterabkommens der OECD zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MA) in der Fassung von 2005 vorsieht oder der Staat oder das Gebiet Auskünfte in einem vergleichbaren Umfang erteilt oder die Bereitschaft zu einer entsprechenden Auskunftserteilung besteht. Da es dem mittelständischen Steuerpflichtigen ohne dezidierte Beratung in der Regel schlichtweg unmöglich sein dürfte, festzustellen, ob im Ausland ansässige Beteiligte analog Art. 26 OECD-MA 2005 zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts herangezogen werden können, ist diesem anzuraten, vorsorglich für alle Auslandsbeziehungen bis zu einer endgültigen Klärung von einer nicht ausreichenden Auskunftserteilung des Auslands auszugehen.

Für diese Fälle schreibt § 1 Abs. 4 SteuerHBekV nunmehr vor, dass der Steuerpflichtige Folgendes aufzuzeichnen habe, um überhaupt einen Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug geltend machen zu können:

1. Art und Umfang der Geschäftsbeziehungen,

2. Verträge und vereinbarte Vertragsbedingungen, die den Geschäftsbeziehungen zugrunde liegen, und ihre Veränderung,

3. die immateriellen Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige im Rahmen der betreffenden Geschäftsbeziehungen nutzt oder zur Nutzung überlässt,

4. die von den Beteiligten im Rahmen der Geschäftsbeziehungen ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken sowie deren Veränderungen,

5. die eingesetzten Wirtschaftsgüter,

6. die gewählten Geschäftsstrategien,

7. die bedeutsamen Markt- und Wettbewerbsverhältnisse,

8. die natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar Gesellschafter oder Anteilseigner des ausländischen Vertragspartners sind, es sei denn der Vertragspartner ist börsennotiert.

Die vorgenannte Aufzeichnungspflicht besteht für nicht nahestehende Vertragspartner ausnahmsweise dann nicht, wenn die Summe der Entgelte für Lieferungen und Leistungen aus der betreffenden Geschäftsbeziehung zu diesem Vertragspartner im Wirtschaftsjahr den Betrag von 10 000 Euro nicht übersteigt. Im Übrigen sind die genannten Aufzeichnungen zeitnah zu erstellen und auf Anforderung den Finanzbehörden vorzulegen. Handelt es sich bei dem ausländischen Vertragspartner sogar um eine nahestehende Person, also bspw. eine Gesellschaft, an der der Steuerpflichtige selber zu mindestens einem Viertel mittelbar oder unmittelbar selber beteiligt ist, sind zudem die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichs beachtende Vereinbarung von Preisen und andere Geschäftsbedingungen mit dem Vertragspartner aufzuzeichnen.

Und weiter - Unterhält der Steuerpflichtige Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten im Ausland hat der Steuerpflichtige die Finanzbehörde auf deren Verlangen zu bevollmächtigen, in seinem Namen mögliche Auskunftsansprüche gegenüber den von der Finanzbehörde benannten Kreditinstituten außergerichtlich und gerichtlich (sic!) geltend zu machen (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 lit. f aa EStG i.V.m. § 1 Abs. 5 SteuerHBekV). Die Anwendung der Abgeltungsteuer nach §§ 32d, 43 Abs. 5 EStG sowie des Teileinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 EStG ist zukünftig sogar davon abhängig, dass der Steuerpflichtige die Finanzbehörden bevollmächtigt, in dessen Namen Auskunftsansprüche gegen dessen (ausländische) Kreditinstitute geltend zu machen (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 lit. f bb EStG i.V.m. § 3 SteuerHBekV). Der auf diese Weise erreichte Zugang zu Bankinformationen entspricht dem für Inlandssachverhalte nach § 93 AO und unterminiert somit das Bankgeheimnis anderer Staaten.

Doch damit nicht genug - Hat eine ausländische Gesellschaft Anspruch auf eine völlige oder teilweise Entlastung vom Steuerabzug (bspw. auf Dividenden oder Lizenzentgelte gemäß Doppelbesteuerungsabkommen oder Kapitalertragsteuer) und sind an dieser Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar natürliche Personen beteiligt, deren Anteil an ihr 10 Prozent übersteigt, wird diese Entlastung nur gewährt, wenn die Identität dieser Anteilseigner offengelegt und nachgewiesen wird (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 lit. f bb EStG i.V.m. § 2 SteuerHBekV). Man kann sich schon jetzt bildlich den Steuerpflichtigen vorstellen, wie dieser versucht, in Erfahrung zu bringen, wer hinter seiner Muttergesellschaft steht oder hinter der Gesellschaft, die von ihm Lizenzgebühren vereinnahmt.

2. Körperschaftsteuer

Analog zu der Einfügung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 lit. f EStG hat der Gesetzgeber in § 33 Abs. 1 Nr. 2 KStG einen neuen Buchstaben e) eingefügt. Danach ist die Bundesregierung ermächtigt, die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG (Dividenden- und Beteiligungsveräußerungseinkünfte) sowie vergleichbare Vorschriften in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Erfüllung besonderer Mitwirkungs- und Nachweispflichten abhängig zu machen. Auch hier sind die gesteigerten Mitwirkungs- und Nachweispflichten insgesamt davon abhängig, dass die im Ausland ansässigen Beteiligten in einem Staat oder Gebiet ansässig sind, mit dem weder Abkommen noch Vereinbarungen analog Art. 26 OECD-MA 2005 bestehen und die Finanzbehörden somit die Auslandsbeteiligten nicht ausreichend selber überprüfen können.

3. Allgemeines Steuerverfahren

Der Gesetzgeber hat auch die Bestimmungen des Besteuerungsverfahrens in der Abgabenordnung ergänzt. Unterhält der Steuerpflichtige Geschäftsbeziehungen zu Finanzinstituten in einem Staat oder Gebiet, mit dem weder Abkommen noch Vereinbarungen analog Art. 26 OECD-MA 2005 bestehen, hat der Steuerpflichtige nach Aufforderung der Finanzbehörde die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt zu versichern und die Finanzbehörde zu bevollmächtigen, in seinem Namen mögliche Auskunftsansprüche gegenüber den von der Finanzbehörde benannten Kreditinstituten außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Nicht genug damit, dass die Finanzbehörde sonach auf Kosten des Steuerpflichtigen beliebige Auskünfte einholen kann. Der Steuerpflichtige macht sich ggf. auch – u.U. zusätzlich zu einer etwaigen Steuerhinterziehung – wegen einer falschen eidesstattlichen Versicherung strafbar (§ 156 StGB); deshalb kann die Versicherung auch nicht im Zwangsmittelverfahren erzwungen werden. Klar ist natürlich, dass die Finanzbehörde bei einer Weigerung erst recht misstrauisch werden wird.

4. Zollverwaltung

Die ursprünglich zur Terror- und Geldwäschebekämpfung installierten Kontrollen des Bargeldverkehrs mit dem Ausland durch die Zollverwaltung nach § 1 Abs. 3a Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) sind dadurch ausgeweitet worden, dass nunmehr auch bei Hinweisen auf eine Steuerhinterziehung, Steuerordnungswidrigkeiten oder Betrug zum Nachteil der Sozialversicherungsträger, entsprechende Zahlungsmittelkontrollen ohne Anfangsverdacht im strafprozessualen Sinne durchgeführt werden dürfen.

5. Kritik

Es erscheint wenig verwunderlich, dass bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes die Verfassungsmäßigkeit und die europarechtliche Konformität des Gesetzes in Zweifel gezogen wird (bspw. Kleinert/Göres, NJW 2009, 2713; Burwitz, NZG 2009, 254). Besonders beachtlich ist es, dass einzelne Tatbestandsmerkmale der Ausgestaltung der Bundesregierung durch Rechtsverordnung überlassen werden, was das Bundesverfassungsgericht wiederholt beanstandet hatte. Wesentlich ist jedoch, dass der Steuerpflichtige wieder einmal ein aus sich heraus nicht verständliches Gesetz an die Hand gegeben bekommen hat. War noch in dem Referentenentwurf die Rede von einer sog. Schwarzen Liste von Staaten, deren „Verschlossenheit“ Anlass zur Nachforschung und zur Erhöhung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen geben sollte, ist es nun dem Steuerpflichtigen schlichtweg selbst überlassen, herauszufinden, welche Länder denn möglicherweise dem deutschen Fiskus unzureichend Auskunft erteilen. Geradezu überflüssig zu erwähnen ist dann noch, die Vorstellung des Verordnungsgebers, wonach ein Mittelständler der einmal im Jahr ein Geschäft mit Wert von 10.000 EUR mit einem Auslandsgeschäftspartner abwickelt, dezidierte Marktanalysen (Geschäftsstrategie, Wettbewerbsverhältnisse etc.) anstellt und darüber auch noch „Buch führt“. So ist nunmehr der deutsche Händler und Produzent auf Gedeih und Verderb einer besserwisserischen Betriebsprüfung ausgeliefert, die ihm dann nach vielen Jahren sagen wird, was er bei Ausführung seines Geschäfts Jahre zuvor hätte bereits wissen müssen.

Themenbezogene Links:
compliance-magazin.de

Der Autor

Stephan WuebbelsmannDr. Stephan Wübbelsmann ist Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist tätig in der Societät Dr. Muth & Partner, Fulda. Neben der anwaltlichen Tätigkeit sind weitere Schwerpunkte der Kanzlei die Wirtschaftsprüfung und die Steuerberatung mittelständischer Unternehmen und Freiberufler. Herr Wübbelsmann ist Autor verschiedener steuer- und gesellschaftsrechtlicher Aufsätze.

Zur Homepage